Selbsthilfe in der Entwicklungshilfe




    Selbsthilfe



Wesentliches Merkmal von Selbsthilfe ist, daß die eigenen Ressourcen in Form von Arbeitskraft, Kapital, Land und Fähigkeiten genutzt werden.“1



In unserer heutigen europäischen Gesellschaft fehlen vor allem in den Städten die traditionellen Netzwerke, wie (Groß-) Familie, Kirchengemeinde und die (dörfliche) Nachbarschaft. Der Trend ins „Private“, eine Gesellschaft der Singles, verlangen neue Organisationsformen bzw. Netze für Hilfe bei Problemen, vor allem in zunehmenden Maß bei Problemen mit der Alltagsbewältigung.

Deswegen wäre als eine weitere Charakterisierung die unmittelbare Umgebung des Menschen zu nennen, in der die Selbsthilfe praktiziert wird. Darunter fallen die Familie, die Freunde, die Nachbarn oder sogar die Gemeinde. Da nicht jeder und jede gleich stark in diesem Gefüge ist, bilden sich nach Thiersch „spezialisierte Rollen von HelferInnen, z.B. von Priestern/Pfarrern, von Medizinmännern/Ärzten, von Pflegern.“ Diese SpezialistInnen bekommen, so Thiersch, mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten aber auch Macht über die Schwächeren, was wiederum Solidarität bei den Schwächeren untereinander gegen die ausgeübte Macht der dann professionellen HelferInnen hervorruft und in sozialer Selbsthilfe mündet.2



Selbsthilfe ist gekennzeichnet durch:

  • Betroffenheit durch ein gemeinsames Problem

  • keine oder geringe Mitwirkung professioneller Helfer

  • keine Gewinnorientierung

  • gemeinsames Ziel: Selbst- und/oder soziale Veränderung

  • Arbeitsweise: Betonung gleichberechtigter Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe.“3



Gruppierungen der Selbsthilfe können folgenden Themengebieten zugeordnet werden: Krankheit, Lebensprobleme (psychosozial), Versorgung (z.B. Genossenschaften, Hausbauprojekte) und Umweltschutz.

„‘Selbsthilfe’ als ideologische Modevokabel ist vor allem deswegen so populär, weil dieser Begriff inhaltlich von jedem so ‘zurechtphantasiert’ werden kann, daß er sich als Transportmittel für alle möglichen Reformideen zur Einschränkung, Verteidigung oder auch zum Umbau des Sozialstaates eignet.“4

Die Politiker aus dem „konservativen Lager“ benutzen die Idee der Selbsthilfe im Zusammenhang mit der katholischen Sozialethik und gemeinsam mit den liberalen Politikern um eine Einschränkung von staatlichen Tätigkeiten zu begründen. Für die „Linken“ lebt mit der Selbsthilfe ein Teil ihrer Tradition, der Selbstorganisation der Arbeiter im 19. Jahrhundert in der Form von Genossenschaften wieder auf.5


Selbsthilfe im Wohnungsbau



Die erste Selbsthilfe beim Hausbau wurde nach Herms bereits von unseren Urahnen geleistet:

In einer traditionellen und vorindustriellen Gesellschaft, (...), wurden die Häuser und Wohnungen von dem sie nutzenden Haushalt, von der Großfamilie oder von der Dorfgemeinschaft (...) mit Hilfe lokal vorhandener Materialien (...) gebaut.“6

So wurden die Häuser auch dem jeweiligen Bedarf angepaßt und von den Bewohnern in Stand gehalten, da sie eine direkte Beziehung zu ihrem Wohnraum hatten.

Dabei war der Hausbau immer mehr als nur Klimaschutz, sondern galt in sich bereits als ein Akt praktizierter Gemeinschaft.“7

Herms geht sogar noch einen Schritt weiter, in dem er auch „alle wirtschaftlichen Aktivitäten zum Lebensunterhalt dieser“ - meist bäuerlichen - „Gemeinschaften“ als Selbsthilfe bezeichnet.



    Partizipation in der Entwicklungshilfe



Wie Rahnema8 ausführt, ergab sich aus der westlich/europäisch geprägten Sichtweise der Industriestaaten ein Entwicklungskonzept, das keine langfristige und stabile Entwicklung garantieren konnte, da die kulturellen Unterschiede zu den jeweiligen Völkern nicht berücksichtigt wurden. Neue Impulse für die Entwicklung sollten nun eine stärkere Einbindung der Betroffenen mit ihren handwerklichen Fähigkeiten bringen, verbunden mit der Stärkung Ihrer „Stimme“ auf politischer Ebene gegenüber den Besitzern der Macht im Land.

Auch die Aktivisten in Sachen Entwicklungshilfe in den Industrieländern waren mit der neuen Perspektive der „Partizipation“ zufriedengestellt, da die alten Hoffnungen auf Gerechtigkeit für die Armen in der Welt wieder neuen Nährboden bekamen.

Für die Carl-Duisburg -Gesellschaft steht bei Wohnungsbauprojekten nicht im Vordergrund, „unter Ausschöpfung des bestehenden Selbsthilfepotentials möglichst billigen Wohnraum zu schaffen“.9 Vielmehr will sie die Selbsthilfe und Betroffenenbeteiligung fördern, wobei letztere wie folgt definiert wird:

Partizipation der Bevölkerung bedeutet, daß alle betroffenen Mitglieder der Gruppe von Anfang an in die Planung und Entscheidungen einbezogen werden und die Ziele des gemeinsamen Vorgehens selber definieren.“10

Die bei diesen Prozessen der gemeinsamen Problemlösung, im Gegensatz zur individuellen Selbsthilfe, gemachten Erfahrungen stärken die Strukturen der Selbsthilfe und ermutigen die Betroffenen bei „Abschluß des konkreten Projektes weitergehende Ziele zu verfolgen“.11

Dies wird von der DED Referentin für Gemeinwesenarbeit12 mit „Nachhaltigkeit“ bezeichnet. Für sie ist folglich auch die erste Frage bei der Beteiligung der Betroffenen, ob „Das identifizierte Problem tatsächlich das der Gemeinschaft ist“. Um nicht Erwartungen im Vorfeld zu erwecken, plädiert sie für eine Projektprüfung ohne Partizipation der Betroffenen. Die gemeinsame Definition des Problems der Betroffenen ist dann aber nach einer Projektzusage der erste Schritt zu Selbstvertrauen und hin zur Problemlösung.13 Als Methode schlägt sie „Karten, Kalender, Diagramme usw.“ vor, „auch für Analphabeten.“14 Sie empfiehlt in diesem Zusammenhang, nicht gleich bei den größten Problemen zu beginnen, sondern erst die am einfachsten und schnellsten zu lösenden Probleme anzugehen.

Nach Voigt-Moritz15 von der GTZ muß grundsätzlich der Begriff „Partizipation“ in Frage gestellt werden, da „Begriffe wie ‘Zielgruppenbeteiligung’, ‘Selbsthilfe’, ‘Self-management’ oder ‘Self-reliance’ (...)“ nicht näher beschreiben und verheißen mehr, als sie nachher im konkreten Projektfall halten können.



Partizipation ist am stärksten da, wo sie eigennützig ist, und von außen (...) keine schnelle Problemlösung erfolgt. Insofern ist kollektive Selbsthilfe in den Augen der Zielgruppen eher eine „Second best choice“.(...) Paternalismus ist für Zielgruppen zweifellos bequemer, gewohnter und wird deshalb vorgezogen.“16



    Beteiligung der Betroffenen mit Hilfe von „Vermittlern“


Mit der Einführung des Ansatzes der Betroffenenbeteiligung bei der Planung und Durchführung von Entwicklungshilfeprojekten wurden nach Rahnema17 vorwiegend durch nichtstaatliche Organisationen nicht-professionelle Vermittler vor Ort eingesetzt, an Stelle der Fachkräfte von außen.

Nach Rahnema war für die Schöpfer der „Theorien zur Einbeziehung der Betroffenen in Entwicklungshilfeprojekte“ eine Beteiligung der Beroffenen bereits durch deren praktisches Handeln und dessen Reflexion erfüllt. Das heißt in andere Worte gefaßt, indem die Betroffenen handwerklich mitarbeiten und anschließend darüber reden dürfen, sind sie am Prozeß des Projektes beteiligt worden.

Dabei wird auch auf Paulo Freires Ideen zurückgegriffen, die nicht nur die „Befreiung der Unterdrückten“ zum Inhalt haben, sondern auch den Helfer der Armen von außen einbezieht. Mit „Paulo Freires Methoden des dialogischen Handelns und der Bewußtmachung„ (...) soll der Helfer „die Beschränkungen seines bürgerlichen Denkens überwinden(...)“. Wenn der Helfer die „Beschränkungen“ überwunden hat, wird so wiederum der „Kampf gegen die Unterdrückung“18 gestützt.

Freire läßt dabei aber außer acht, daß die „Aktivisten von außen“, deren Aufgabe es ist, - so Freire- den Armen ihre Lebenswirklichkeit der Unterdrückung vor Augen zu halten, eventuell auch nicht die richtige Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit der Armen haben. Vielmehr können diese Vermittler oder auch „change agents“ unter dem Deckmantel der Partizipation und Bewußtseinswerdung geschickt die jeweilige Bevölkerungsgruppe im Sinne ihrer Ideologie manipulieren.19




Früher oder später übernehmen die berufsmäßigen Agitatoren und Ideologen die Führung: Sie behaupten, die Sache des Volkes zu vertreten, und machen die Menschen zu Opfern.“20

Wenn aber die Bevölkerung den selbsternannten und progressiven Führern nicht folgen will und sich an ihr eigenes und ursprüngliches Erkenntnisvermögen erinnert, werden die Bevölkerung oder die Kritiker darunter einfach zu Gegnern, wenn nicht sogar zu Feinden, erklärt.21

Aus diesen Gründen vertritt Rahnema die Ansicht,



(...) daß der partizipatorische Ansatz in seinen bisherigen Formen zumeist nicht dazu getaugt hat, den Menschen an der Basis neue Formen von Stärke zu vermitteln, (...)22



    Staatliche Förderung von Selbsthilfe im Rahmen von Entwicklungshilfe



Das Konzept der ‘Armutsbekämpfung durch Selbsthilfeförderung’ stellt zwar einen wichtigen Ansatz der Etnwicklungshilfe des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit dar, jedoch beinhaltet er noch in keiner Weise eine grundlegende Reorientierung der staatlichen Entwicklungshilfe insgesamt.

Denn diese besteht in überwiegendem Maße immer noch aus der Förderung von Großprojekten im Bereich der Infrastruktur (Staudamm-, Brunnen- und Straßenbau, Energieversorgung, Installation von Fernmelde- und Kommunikationssystemen) oder der ländlichen Regionalentwicklung.“23



    Die Selbsthilfeorganisationen (SHO) aus der Sicht des BMZ



Das BMZ24 definiert in seinen „allgemeinen Grundsätzen“25 von 1977 Selbsthilfeorganisationen als „Organisationen, deren personelle Mitglieder sich auf Grund gemeinsamer Interessen zusammengeschlosssen haben, um die dauerhafte Verfolgung ihrer übergeordneten Ziele durch Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation anzustreben“.

Diese Ziele sollen „durch Erbringung von Dienstleistungen im weitesten Sinne erreicht werden“. Zu den vom BMZ festgelegten SHO’s26 zählen „nicht nur registrierte Genossenschaften und bäuerliche Vereinigungen, sondern auch alle Arten präkooperativer Gruppierungen“ 27. Mit den „präkooperativen Gruppierungen“ werden hiermit auch ausdrücklich Selbsthilfegruppen eingeschlossen, die sich in einer Gründungsphase befinden und somit noch keinen Rechtsstatus haben.

Indem Selbsthilfe an sich angeregt wird, werden auch die SHO’s unterstützt. Mit diesem Ziel der „Entwicklung von SHO’s“ zeichnet das BMZ folgende Phasen:

1. Initiierung von Selbsthilfe und Entwurf eines operativen Konzepts; 2. Motivierung und Schulung von SHO-Gründungsmitgliedern; 3. organisatorische und ggf. rechtliche Gründung der SHO; 4. Herstellung der Betriebsbereitschaft eines Wirtschaftsbetriebs im Falle formaler SHO; 5. Einübung des Dauerbetriebs bis zur Verselbständigung; 6. selbständiger Dauerbetrieb mit Förderungsbedarf; 7. Dauerbetrieb ohne Förderung.“28



    Selbsthilfe bei der Finanzierung von Entwicklungshilfeprojekten über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)- ein Beispiel für staatliche Vorstellungen von Selbsthilfe



Die Finanzielle Zusammenarbeit (FZ), auch Kapitalhilfe genannt, ist dem Volumen nach das bedeutendste Instrument der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Die Mittel werden überwiegend in Form günstiger Darlehen gewährt;(...).“29

Die Projekte in diesem Bereich „(...) werden von der Bundesregierung gemeinsam mit dem Partner nach entwicklungspolitischen Gesichtspunkten ausgewählt und über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) abgewickelt.“30

1995 wurden insgeamt 2,55 Mrd. DM ausgezahlt, wobei die Bundesregierung bei den Projekten besonders die Firmen aus Deutschland entsprechend berücksichtigt.31 Länder, deren Pro-Kopf Einkommen über 1 395 US $ im Jahr (1994) liegt, müssen der Bundesrepublik, bzw. ihrer „Firma“ KfW die Kredite mit 2% Zinsen bei 30 Jahren Laufzeit und zehn tilgungsfreien Jahren zurückzahlen.

Bei der Selbsthilfe im Rahmen der „finanziellen Zusammenarbeit“ geht es um die Kooperation von Kleinstbetrieben zur Erlangung von Krediten, gemeinsamer Nutzung von Infrastruktur oder auch nur für den „Zugang zum Markt“32. Dabei stehen emanzipatorische Ziele weniger im Vordergrund als bei kirchlichen oder privaten Hilfsorganisationen.

Partner der KfW sind - im Gegensatz z.B. zu den meisten Projekten nicht-staatlicher Organisationen - staatliche Institutionen des jeweiligen Entwicklungslandes. Da diese meist nicht „auf die Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungen oder in besonderer Weise auf die Zusammenarbeit mit Armen ausgerichtet“33 sind, sieht diese Art der Förderung nicht ausdrücklich die Förderung von Selbstorganisation der Armen vor. Immerhin findet die KfW aber eine Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Organisationen „erstrebenswert“.

Da die Förderung von Selbsthilfe mit der „angestrebten“ Übergabe von „Verantwortung und Entscheidungen auf Selbsthilfestrukturen (...) nur begrenzt von außen planbar ist“34, erfordert dies eine enorme Umstellung der bisherigen Praxis der KfW bei der Unterstützung und Durchführung von Projekten, die demnach wohl bisher ihre Projekte von „oben“ nach „unten“ durchgeführt hat, d. h. ohne Einbeziehung der Betroffenen.

In den folgenden Bereichen der finanziellen Förderung von Projekten sieht die KfW für die Zukunft Möglichkeiten, „Selbsthilfe als Gestaltungsprinzip erfolgversprechend einzuführen35: Trinkwasserversorgung und Abwasser; Wohnungsbau und Stadtteilentwicklung; kleinbäuerliche Landwirtschaft; Kreditvergabe für Kleingewerbe; dezentrale, ländliche Gesundheitsdienste.

Die „Förderprinzipien36 bei Selbsthilfeeinsätzen in FZ-Vorhaben37“ sind:

  1. Freiwillige Teilnahme am Vorhaben

  2. Ziele an Bestrebungen von beteiligter Bevölkerung und externen Planern sind deckungsgleich.

  3. Über die jeweiligen Rechte und Pflichten besteht unter den Beteiligten Einvernehmen.

  4. Die Konzeption ist den finanziellen/organisatorischen/technischen Fähigkeiten und dem Lebensumfeld der beteiligten Bevölkerung angepaßt.

  5. Die in Gemeinschaften organisierte Bevölkerung kann [Hervorhebung des Autors] eigene Lösungsvorschläge einbringen und trifft Entscheidungen (Betroffene als Akteure).

  6. Über das geplante Vorhaben hinausgehende Initiativen der Betroffenen können [Hervorhebung des Autors] aufgegriffen werden.



    Die Rolle der Betroffenen bei Selbsthilfeprojekten der KfW

Besonders die von mir hervorgehobenen Verben im vorangehenden Zitat weisen deutlich auf die für die Betroffenen vorgesehene Rolle bei der Projektförderung der KfW hin. Diese stehen für mich z.B. im deutlichen Widerspruch zur Aussage aus der CDU/CSU Bundestagsfraktion, in der es dazu heißt: „(...) Dies bedeutet auch, daß die Projekte nicht unsere Projekte, sondern die Projekte der betroffenen Menschen vor Ort sein müssen.“ Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie klarstellen: „Partizipation wäre deshalb mißverstanden, wenn sie nur im Sinne von Beteiligung interpretiert würde“38

Ferner müssen die Vorhaben prozeßhaft aus der Zusammenarbeit der Förderer mit der Zielguppe erwachsen und nicht als von vornherein durchgeplantes Produkt.“39



    Der „Berater“ oder „Mittler“ bei Selbsthilfeprojekten der KfW



Bei den Erläuterungen zu den Förderprinzipien taucht unter Punkt 2 interessanterweise die Einbeziehung eines privaten Beraters oder „Mittlers“ vor Ort auf für die Beurteilung des Projektes (s. auch Kapitel ... Seite...) und der „Zielgruppe“. Die große Bedeutung dieses „Mittlers“ wird am Ende des Artikels der KfW unter der Überschrift „Gesucht: Der ideale Mitmensch“ noch einmal betont:

(...) Ein guter Mittler zwischen Förderinstitution und Zielgruppe ist Katalysator bei der Entscheidungsfindung der Betroffenen.“40



Die Gefahr einer solchen Konzentration auf eine einzige Person bei diesem Ansatz bringt nämlich auch unwillkommene Effekte mit sich.

Diese Vermittler, auch „Change agents“41 genannt, entpuppten sich häufig aber als

(...) militante Ideologen,“ von denen „(...) viele wirkten, ohne professionelle Kompetenz zu besitzen,“ tatsächlich „(...) von außerhalb der Gemeinschaften kommen und die offenbar immer dazu neigen, die Basisbewegungen zu steuern und zu manipulieren und ihnen Ideologien und importierte Ziele des Kampfes aufzuzwingen“42, oder aber die „(...) Spezialisten (...)„ die „selbsternannten Barfuß-Experten“, die sich entweder vor Ort qualifizierten oder als Retter aus Übersee einschwebten.“43

und die genausowenig ihre Rolle als Bindeglied zur Bevölkerung (z.B. in einem Armenviertel) ausübten.



    Betroffenenbeteiligung bei Selbsthilfeprojekten der KfW



Besteht unter den Beteiligten Einvernehmen“ wird in den Erläuterungen unter dem Stichwort „Erfolgsbedingungen“ dazu gefordert, „klare Vorgaben und Regeln„44 für die „Begünstigten“ aufzustellen. Offen bleibt, wer „Bei Wahlmöglichkeit der Begünstigten zwischen mehreren Technologien, Entscheidung erst nach deren Information (...) die Entscheidung trifft. Auch im Widerspruch zu Selbsthilfe stehen die „Strukturierte(n) Besuche regionaler Meinungsbildner und/oder dörflicher Multiplikatoren bei vorhandenen Referenzvorhaben,“ um „dadurch deren Entscheidungsgrundlagen zu verbessern.“45

Im Vordergrund steht offensichtlich eine einzelne Person und ihre „Entscheidungsgrundlage“; die Gemeinschaft der Betroffenen wird übergangen. An anderer Stelle werden dann aber die „realistischen Einschätzungen“ von Dorfgemeinschaften im Bezug auf Projektplanungen gelobt46.

Zur Betroffenenbeteiligung findet sich bei den Erläuterungen unter dem Stichwort „zielfördernd“:

Die Einbeziehung möglichst vieler künftiger Nutzer in die Animation kann Partikularinteressen durch Gruppendruck entgegenwirken, Benachteiligte (z.B. Frauen) müssen dabei ausreichend repräsentiert sein.“47

Bei Punkt 6 wird als Bedingung für den Erfolg immerhin die Einbeziehung der Betroffenen bei „Monitoring“ (Überwachung) und „Evaluation“ (Auswertung) des Projektes genannt.



    Förderung der Selbsthilfe aus der Sicht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit



Das Selbsthilfekonzept geht von der Tatsache aus, daß sich die Armen (mehr als man bisher glaubte) selbst helfen können, wozu allerdings oft ein erster Anstoß von außen notwendig ist.(...)

Förderungsziel ist nicht in erster Linie die Verbesserung der materiellen Lage an sich, sondern vor allem die Mobilisierung der schöpferischen Kräfte und Fähigkeiten.“ 48



Die fünf Kriterien, „nach denen die Vorhaben auf ihre Selbsthilfeorientierung geprüft werden“ aus dem Leitfaden des BMZ:


  • Zielgruppe sind Menschen unterhalb der Armutsgrenze;

  • Eigenitiative muß vorhanden sein;

  • Beteiligung muß sichergestellt sein;

  • Eigenbeitrag muß erbracht werden;

  • Handlungsspielraum muß gewährleistet werden.“ 49


Grundsätzlich gilt für das BMZ -wie auch die staatlichen Organisationen anderer Staaten der westlichen Industrienationen das Prinzip der Subsidiarität, d.h. es wird nur in Feldern der Entwicklungshilfe tätig, in denen nicht auch NRO’s tätig sind oder sein könnten.

Als herausragendsten Punkt des „methodischen Ansatzes“ für Organisationen, die staatliche Entwicklungshilfe leisten, nennt das BMZ das „Kennenlernen der Selbsthilfeerfahrungen der Armen“ über den Weg von Fallstudien und Erzählungen der Betroffenen.

Im Gegensatz zu den Bedingungen der staatlichen KfW verlangt das BMZ in seinen „Hinweisen zur Umsetzung“ (Punkt 5.1.3):

Die betroffene Bevölkerung ist zum Träger der Projekte zu machen. Das Vorhaben soll so angelegt sein, daß die Beteiligung der Begünstigten in allen seinen Phasen - Konzeption, Vorbereitung, Planung, Durchführung, Betrieb, Unterhaltung und Evaluierung - sichergestellt ist.“50

Ergänzend zu den Bedingungen der staatlichen KfW wäre noch zu erwähnen, daß für das BMZ eine Voraussetzung für die Durchführung einer Projektunterstützung die Garantie eines Handlungsspielraumes von staatlicher Seite des Entwicklungslandes aus ist.

Darüber hinaus muß das Projekt auf Breitenwirksamkeit und Nachhaltigkeit51 zielen, das heißt, auch auf politischer Ebene etwas bleibend für die Armen verändern.

Im Gegensatz zur staatlichen KfW ist für die Bundesregierung eine Förderung der Selbsthilfe ohne die Zusammenarbeit mit NRO’s vor Ort und in den Projekten nicht möglich. Die Bundesregierung vergibt auch Selbsthilfefonds (z.B. in Indien und Bangladesch), die „grundsätzlich in der Verwaltung eines einheimischen Partners“52 stehen. Nähere Angaben über den jeweiligen Partner werden nicht gemacht.53



    Der Anteil der Selbsthilfeförderung an der gesamten technischen und finanziellen Entwicklungshilfe (Zusammenarbeit) der Bundesregierung



Die finanzielle Unterstützung von Selbsthilfevorhaben durch die Bundesregierung wird stetig gesteigert. Im Jahr 1991 betrug sie noch 8% und 1994 bereits 12,6% von der gesamten finanziellen und technischen Förderung, bzw. „Zusammenarbeit“. Für das Jahr wurde ein Förderungsanteil von 18,5% angestrebt54. In Zahlen ausgedrückt sind das 1991 333 Millionen DM und „1996 will Spranger (Anm.: der Bundesminister) etwa 700 Millionen Mark für selbsthilfeorientierte Projekte (...) zur Verfügung stellen.“55 Dem gegenüber stehen die „gesamten Nettoauszahlungen der öffentlichen Auslandshilfe“ in Höhe von DM 14,9 Mrd. für das Jahr 1994.56



Zuletzt geändert: 25.05.2004, 23:49:33

1Bundesmindisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ): Bonn 1990, S.7

2vgl. Thiersch, Hans „Lebenswelt und Moral“, Weinheim/Münschen 1995 S.199 ff

3Trojan u.a.: „Wissen ist Macht“, Frankfurt 1986 S. 32

4Trojan, Alf „Wissen ist Macht“ Fischer, Frankfurt 1986 S. 10

5vgl. Trojan, Alf u.a. „Wissen ist Macht“ Fischer, Frankfurt 1986 S. 9

6Herms in Trialog, Darmstadt 1/83

7Körte, A. in: „Habitat Abschlußbericht Band 2“ Interdisziplinäres Forschungsprojekt der Philipps-Universität Mrburg und der TH Darmstadt; Marburg 1991 S.47

8vgl. Rahnema in Sachs(Hsg.), „Wie im Westen so auf Erden“ Reinbek 1993 S. 248 ff

9Funcke, M. „Wohnungsbau-Ein CDG-Programm fördert Selbsthilfegruppen“ in ECHO aus Deutschland 4/85 Stuttgart S.6

10Funcke, M. „Wohnungsbau-Ein CDG-Programm fördert Selbsthilfegruppen“ in ECHO aus Deutschland 4/85 Stuttgart S.6

11Funcke, M. „Wohnungsbau-Ein CDG-Programm fördert Selbsthilfegruppen“ in ECHO aus Deutschland 4/85 Stuttgart S.6

12Def. der schweizerischen Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe DEH Schweiz 1990 in Schneider, M. „Ohne Partizipation keine Nachhaltigkeit“ in DED-Brief 4/95 Berlin S.24

13Schneider, M. „Ohne Partizipation keine Nachhaltigkeit“ in DED-Brief 4/95 Berlin S.25

14Schneider, M. „Ohne Partizipation keine Nachhaltigkeit“ in DED-Brief 4/95 Berlin S.25

15Voigt-Moritz, Hans-Christian: „Konzepte zur Diskussion gestellt-Partizipation in der technischen Zusammenarbeit“, GTZ, Eschborn 1991 S.3

16Voigt-Moritz, Hans-Christian: „Konzepte zur Diskussion gestellt-Partizipation in der technischen Zusammenarbeit“, GTZ, Eschborn 1991 S.7

17vgl. Rahnema in Sachs (Hsg.): „Wie im Westen so nichts Neues“, 1993 S. 260 ff

18vgl. Freire, „Cultural Action for Freedom, Harmondsworth: Penguin Books, 1975 S. 75-71 zit. in Rahnema in Sachs (Hrsg.): 1993 S. 264.

19Zur Rolle von Helfern in Projekten s.a. die Beschreibung des equipo interdisziplinario, dem Helferkries der OR.VI.PO. in dieser Arbeit.

20Rahnema in Sachs (Hsg.): „Wie im Westen so nichts Neues“, 1993 S. 269

21vgl. auch Rahnema in Sachs (Hsg.): „Wie im Westen so nichts Neues“, 1993 S. 260 ff S. 265

22vgl. Rahnema in Sachs (Hsg.): „Wie im Westen so nichts Neues“, 1993 S. 260

23Kasch, Volker in Brot für die Welt (Hrsg.): „Entwicklungspolitsche Bildungsarbeit-Bilanz und Perspektiven“ Stuttgart 1990, S. 29

24Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

25vgl. Nohlen: „Lexikon Dritte Welt“, Reinbek 1994 S. 603

26Selbsthilfeorganisationen

27vgl. Nohlen: „Lexikon Dritte Welt“, Reinbek 1994 S. 603

28Nohlen: „Lexikon Dritte Welt“, Reinbeck 1994 S.603

29Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ): „Entwicklungspolitik - Jahresbericht 1995“, Bonn 1996 S.47

30Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), „Entwicklungspolitik - Jahresbericht 1995“ Bonn, 1996 S.10

31Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), „Entwicklungspolitik - Jahresbericht 1995“ Bonn, 1996 S.10

32gemeint ist der Verkauf und Einkauf von Produkten und Dienstleistungen

33Kreditanstalt für Wiederaufbau: „Arbeitshilfe - Selbsthilfeansätze bei Vorhaben der Finanziellen Zusammenarbeit“, Frankfurt 1991 S.6

34Kreditanstalt für Wiederaufbau: „Arbeitshilfe - Selbsthilfeansätze bei Vorhaben der Finanziellen Zusammenarbeit“, Frankfurt 1991 S.7

35Kreditanstalt für Wiederaufbau: „Arbeitshilfe - Selbsthilfeansätze bei Vorhaben der Finanziellen Zusammenarbeit“, Frankfurt 1991 S.8

36Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): „Selbsthilfe bei Vorhaben der Finanziellen Zusammenarbeit“, Frankfurt a. M. 1991

37Vorhaben der Finanziellen Zusammenarbeit

38Pinger, Winfried; Entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in: Dokumente „Hilfe zur Selbsthilfe“ Hrsg. Rüttgers/Oswald Bonn 1994

39Deutscher Bundestag: „10.Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung“, Drucksache 13/3342 S.59

40Kreditanstalt für Wiederaufbau 1991 S.29

41s.h. Rahnema in Sachs, 1993

42Fortin/Stiefel: „People’s Participation-Problem or Promise Summary pf a Panel of the World Conference“in Development/SID) 3/85 zit. in Rahnema in Sachs (Hrsg.), 1993 S. 262

43Rahnema in Sachs, 1993 S. 262

44Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt 1991, S.16

45Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt 1991, S.17

46Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt 1991, S 22

47Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt 1991, S.28

48Deutscher Bundestag: „10.Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung“; Drucksache 13/3342 13. Wahlperiode; S.59

49Deutscher Bundestag: „10.Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung“; Drucksache 13/3342 13. Wahlperiode S.58

50Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), Bonn 1990

51Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), Bonn 1990, S. 13

52Deutscher Bundestag: „10.Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung“, Drucksache 13/3342 S.59

53Zur Verwaltung von Projektgeldern und die Risiken bei der Verwaltung und Verteilung durch einen Partner vor Ort werde ich in meiner Arbeit im Zusammenhang mit dem Haubauprojekt der OR.VI.PO. noch ausführlicher eingehen.

54vgl. Deutscher Bundestag: „10.Bericht zur Entwicklungspolitk der Bundesregierung“, Drucksache 13/3342 S.59

55Gausepohl, R. im Weser-Kurier vom 13.01.1996

56Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, „Entwicklungspolitik - Jahresbericht 1995“, Bonn S.9