Selbsthilfe
„Wesentliches
Merkmal von Selbsthilfe ist, daß die eigenen
Ressourcen in Form von Arbeitskraft, Kapital, Land und
Fähigkeiten genutzt werden.“
In
unserer heutigen europäischen Gesellschaft fehlen vor allem
in den Städten die traditionellen Netzwerke, wie (Groß-)
Familie, Kirchengemeinde und die (dörfliche) Nachbarschaft.
Der Trend ins „Private“, eine Gesellschaft der
Singles, verlangen neue Organisationsformen bzw. Netze für
Hilfe bei Problemen, vor allem in zunehmenden Maß bei
Problemen mit der Alltagsbewältigung.
Deswegen
wäre als eine weitere Charakterisierung die unmittelbare
Umgebung des Menschen zu nennen, in der die Selbsthilfe
praktiziert wird. Darunter fallen die Familie, die Freunde, die
Nachbarn oder sogar die Gemeinde. Da nicht jeder und jede gleich
stark in diesem Gefüge ist, bilden sich nach Thiersch
„spezialisierte Rollen von HelferInnen, z.B. von
Priestern/Pfarrern, von Medizinmännern/Ärzten,
von Pflegern.“ Diese SpezialistInnen bekommen, so
Thiersch, mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten aber auch
Macht über die Schwächeren, was wiederum Solidarität
bei den Schwächeren untereinander gegen die ausgeübte
Macht der dann professionellen HelferInnen hervorruft und in
sozialer Selbsthilfe mündet.
Selbsthilfe ist gekennzeichnet durch:
„Betroffenheit
durch ein gemeinsames Problem
keine
oder geringe Mitwirkung professioneller Helfer
keine
Gewinnorientierung
gemeinsames
Ziel: Selbst- und/oder soziale Veränderung
Arbeitsweise:
Betonung gleichberechtigter Zusammenarbeit und gegenseitiger
Hilfe.“
Gruppierungen der Selbsthilfe können
folgenden Themengebieten zugeordnet werden: Krankheit,
Lebensprobleme (psychosozial), Versorgung (z.B. Genossenschaften,
Hausbauprojekte) und Umweltschutz.
„‘Selbsthilfe’
als ideologische Modevokabel ist vor allem deswegen so populär,
weil dieser Begriff inhaltlich von jedem so ‘zurechtphantasiert’
werden kann, daß er sich als Transportmittel für alle
möglichen Reformideen zur Einschränkung, Verteidigung
oder auch zum Umbau des Sozialstaates eignet.“
Die Politiker aus dem „konservativen
Lager“ benutzen die Idee der Selbsthilfe im Zusammenhang
mit der katholischen Sozialethik und gemeinsam mit den liberalen
Politikern um eine Einschränkung von staatlichen Tätigkeiten
zu begründen. Für die „Linken“ lebt mit der
Selbsthilfe ein Teil ihrer Tradition, der Selbstorganisation der
Arbeiter im 19. Jahrhundert in der Form von Genossenschaften
wieder auf.
Selbsthilfe im Wohnungsbau
Die erste Selbsthilfe beim Hausbau wurde nach
Herms bereits von unseren Urahnen geleistet:
„In
einer traditionellen und vorindustriellen Gesellschaft, (...),
wurden die Häuser und Wohnungen von dem sie nutzenden
Haushalt, von der Großfamilie oder von der Dorfgemeinschaft
(...) mit Hilfe lokal vorhandener Materialien (...) gebaut.“
So wurden die Häuser auch dem jeweiligen
Bedarf angepaßt und von den Bewohnern in Stand gehalten, da
sie eine direkte Beziehung zu ihrem Wohnraum hatten.
„Dabei
war der Hausbau immer mehr als nur Klimaschutz, sondern galt in
sich bereits als ein Akt praktizierter Gemeinschaft.“
Herms geht sogar noch einen
Schritt weiter, in dem er auch „alle
wirtschaftlichen Aktivitäten zum Lebensunterhalt dieser“
- meist bäuerlichen - „Gemeinschaften“
als Selbsthilfe bezeichnet.
Partizipation
in der Entwicklungshilfe
Wie
Rahnema
ausführt, ergab sich aus der westlich/europäisch
geprägten Sichtweise der Industriestaaten ein
Entwicklungskonzept, das keine langfristige und stabile
Entwicklung garantieren konnte, da die kulturellen Unterschiede
zu den jeweiligen Völkern nicht berücksichtigt wurden.
Neue Impulse für die Entwicklung sollten nun eine stärkere
Einbindung der Betroffenen mit ihren handwerklichen Fähigkeiten
bringen, verbunden mit der Stärkung Ihrer „Stimme“
auf politischer Ebene gegenüber den Besitzern der Macht im
Land.
Auch
die Aktivisten in Sachen Entwicklungshilfe in den
Industrieländern waren mit der neuen Perspektive der
„Partizipation“ zufriedengestellt, da die alten
Hoffnungen auf Gerechtigkeit für die Armen in der Welt
wieder neuen Nährboden bekamen.
Für die Carl-Duisburg -Gesellschaft steht
bei Wohnungsbauprojekten nicht im Vordergrund, „unter
Ausschöpfung des bestehenden Selbsthilfepotentials
möglichst billigen Wohnraum zu schaffen“.
Vielmehr will sie die Selbsthilfe und Betroffenenbeteiligung
fördern, wobei letztere wie folgt definiert wird:
„Partizipation
der Bevölkerung bedeutet, daß alle betroffenen
Mitglieder der Gruppe von Anfang an in die Planung und
Entscheidungen einbezogen werden und die Ziele des gemeinsamen
Vorgehens selber definieren.“
Die bei diesen Prozessen der gemeinsamen
Problemlösung, im Gegensatz zur individuellen Selbsthilfe,
gemachten Erfahrungen stärken die Strukturen der Selbsthilfe
und ermutigen die Betroffenen bei „Abschluß des
konkreten Projektes weitergehende Ziele zu verfolgen“.
Dies wird von der DED Referentin für
Gemeinwesenarbeit
mit „Nachhaltigkeit“ bezeichnet. Für sie ist
folglich auch die erste Frage bei der Beteiligung der
Betroffenen, ob „Das identifizierte Problem
tatsächlich das der Gemeinschaft ist“. Um nicht
Erwartungen im Vorfeld zu erwecken, plädiert sie für
eine Projektprüfung ohne Partizipation der Betroffenen. Die
gemeinsame Definition des Problems der Betroffenen ist dann aber
nach einer Projektzusage der erste Schritt zu Selbstvertrauen und
hin zur Problemlösung.
Als Methode schlägt sie „Karten, Kalender,
Diagramme usw.“ vor, „auch für
Analphabeten.“
Sie empfiehlt in diesem Zusammenhang, nicht gleich bei den
größten Problemen zu beginnen, sondern erst die am
einfachsten und schnellsten zu lösenden Probleme anzugehen.
Nach Voigt-Moritz
von der GTZ muß grundsätzlich der Begriff
„Partizipation“ in Frage gestellt werden, da
„Begriffe wie ‘Zielgruppenbeteiligung’,
‘Selbsthilfe’, ‘Self-management’ oder
‘Self-reliance’ (...)“ nicht näher
beschreiben und verheißen mehr, als sie nachher im
konkreten Projektfall halten können.
„Partizipation
ist am stärksten da, wo sie eigennützig ist, und von
außen (...) keine schnelle Problemlösung erfolgt.
Insofern ist kollektive Selbsthilfe in den Augen der Zielgruppen
eher eine „Second best choice“.(...) Paternalismus
ist für Zielgruppen zweifellos bequemer, gewohnter und wird
deshalb vorgezogen.“
Beteiligung der
Betroffenen mit Hilfe von „Vermittlern“
Mit
der Einführung des Ansatzes der Betroffenenbeteiligung bei
der Planung und Durchführung von Entwicklungshilfeprojekten
wurden nach Rahnema
vorwiegend durch nichtstaatliche Organisationen
nicht-professionelle Vermittler vor Ort eingesetzt, an Stelle der
Fachkräfte von außen.
Nach
Rahnema war für die Schöpfer der „Theorien zur
Einbeziehung der Betroffenen in Entwicklungshilfeprojekte“
eine Beteiligung der Beroffenen bereits durch deren praktisches
Handeln und dessen Reflexion erfüllt. Das heißt in
andere Worte gefaßt, indem die Betroffenen handwerklich
mitarbeiten und anschließend darüber reden dürfen,
sind sie am Prozeß des Projektes beteiligt worden.
Dabei
wird auch auf Paulo Freires Ideen zurückgegriffen, die nicht
nur die „Befreiung der Unterdrückten“ zum
Inhalt haben, sondern auch den Helfer der Armen von außen
einbezieht. Mit „Paulo Freires Methoden des dialogischen
Handelns und der Bewußtmachung„ (...) soll der
Helfer „die Beschränkungen seines bürgerlichen
Denkens überwinden(...)“. Wenn der Helfer
die „Beschränkungen“ überwunden hat, wird
so wiederum der „Kampf gegen die Unterdrückung“
gestützt.
Freire
läßt dabei aber außer acht, daß die
„Aktivisten von außen“, deren Aufgabe es ist, -
so Freire- den Armen ihre Lebenswirklichkeit der Unterdrückung
vor Augen zu halten, eventuell auch nicht die richtige
Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit der Armen haben. Vielmehr
können diese Vermittler oder auch „change agents“
unter dem Deckmantel der Partizipation und Bewußtseinswerdung
geschickt die jeweilige Bevölkerungsgruppe im Sinne ihrer
Ideologie manipulieren.
„Früher
oder später übernehmen die berufsmäßigen
Agitatoren und Ideologen die Führung: Sie behaupten, die
Sache des Volkes zu vertreten, und machen die Menschen zu
Opfern.“
Wenn
aber die Bevölkerung den selbsternannten und progressiven
Führern nicht folgen will und sich an ihr eigenes und
ursprüngliches Erkenntnisvermögen erinnert, werden die
Bevölkerung oder die Kritiker darunter einfach zu Gegnern,
wenn nicht sogar zu Feinden, erklärt.
Aus
diesen Gründen vertritt Rahnema die Ansicht,
„(...)
daß der partizipatorische Ansatz in seinen bisherigen
Formen zumeist nicht dazu getaugt hat, den Menschen an der Basis
neue Formen von Stärke zu vermitteln, (...)
Staatliche
Förderung von Selbsthilfe im Rahmen von Entwicklungshilfe
„Das
Konzept der ‘Armutsbekämpfung durch
Selbsthilfeförderung’ stellt zwar einen wichtigen
Ansatz der Etnwicklungshilfe des Bundesministeriums für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit dar, jedoch beinhaltet er noch in
keiner Weise eine grundlegende Reorientierung der staatlichen
Entwicklungshilfe insgesamt.
Denn
diese besteht in überwiegendem Maße immer noch aus der
Förderung von Großprojekten im Bereich der
Infrastruktur (Staudamm-, Brunnen- und Straßenbau,
Energieversorgung, Installation von Fernmelde- und
Kommunikationssystemen) oder der ländlichen
Regionalentwicklung.“
Die
Selbsthilfeorganisationen (SHO) aus der Sicht des BMZ
Das
BMZ
definiert in seinen „allgemeinen Grundsätzen“
von 1977 Selbsthilfeorganisationen als „Organisationen,
deren personelle Mitglieder sich auf Grund gemeinsamer Interessen
zusammengeschlosssen haben, um die dauerhafte Verfolgung
ihrer übergeordneten Ziele durch Verbesserung ihrer
wirtschaftlichen und sozialen Situation anzustreben“.
Diese
Ziele sollen „durch Erbringung von
Dienstleistungen im weitesten Sinne erreicht werden“.
Zu den vom BMZ festgelegten SHO’s
zählen „nicht nur registrierte Genossenschaften und
bäuerliche Vereinigungen, sondern auch alle Arten
präkooperativer Gruppierungen“ .
Mit den „präkooperativen Gruppierungen“
werden hiermit auch ausdrücklich Selbsthilfegruppen
eingeschlossen, die sich in einer Gründungsphase befinden
und somit noch keinen Rechtsstatus haben.
Indem
Selbsthilfe an sich angeregt wird, werden auch die SHO’s
unterstützt. Mit diesem Ziel der „Entwicklung von
SHO’s“ zeichnet das BMZ folgende Phasen:
„1.
Initiierung von Selbsthilfe und Entwurf eines operativen
Konzepts; 2. Motivierung und Schulung von
SHO-Gründungsmitgliedern; 3. organisatorische und ggf.
rechtliche Gründung der SHO; 4. Herstellung der
Betriebsbereitschaft eines Wirtschaftsbetriebs im Falle formaler
SHO; 5. Einübung des Dauerbetriebs bis zur
Verselbständigung; 6. selbständiger Dauerbetrieb mit
Förderungsbedarf; 7. Dauerbetrieb ohne Förderung.“
Selbsthilfe
bei der Finanzierung von Entwicklungshilfeprojekten über
die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)- ein Beispiel für
staatliche Vorstellungen von Selbsthilfe
„Die
Finanzielle Zusammenarbeit (FZ), auch Kapitalhilfe genannt, ist
dem Volumen nach das bedeutendste Instrument der
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Die Mittel werden
überwiegend in Form günstiger Darlehen gewährt;(...).“
Die
Projekte in diesem
Bereich „(...) werden von der Bundesregierung
gemeinsam mit dem Partner nach entwicklungspolitischen
Gesichtspunkten ausgewählt und über die Kreditanstalt
für Wiederaufbau (KfW) abgewickelt.“
1995 wurden insgeamt 2,55 Mrd. DM ausgezahlt,
wobei die Bundesregierung bei den Projekten besonders die Firmen
aus Deutschland entsprechend berücksichtigt.
Länder, deren Pro-Kopf Einkommen über 1 395 US $ im
Jahr (1994) liegt, müssen der Bundesrepublik, bzw. ihrer
„Firma“ KfW die Kredite mit 2% Zinsen bei 30 Jahren
Laufzeit und zehn tilgungsfreien Jahren zurückzahlen.
Bei der Selbsthilfe im Rahmen
der „finanziellen Zusammenarbeit“ geht es um die
Kooperation von Kleinstbetrieben zur Erlangung von Krediten,
gemeinsamer Nutzung von Infrastruktur oder auch nur für den
„Zugang zum Markt“.
Dabei stehen emanzipatorische Ziele weniger im Vordergrund als
bei kirchlichen oder privaten Hilfsorganisationen.
Partner der KfW sind - im Gegensatz z.B. zu
den meisten Projekten nicht-staatlicher Organisationen -
staatliche Institutionen des jeweiligen Entwicklungslandes. Da
diese meist nicht „auf die Beteiligung der
Bevölkerung an Entscheidungen oder in besonderer Weise
auf die Zusammenarbeit mit Armen ausgerichtet“
sind, sieht diese Art der Förderung nicht ausdrücklich
die Förderung von Selbstorganisation der Armen vor. Immerhin
findet die KfW aber eine Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen
Organisationen „erstrebenswert“.
Da die Förderung von
Selbsthilfe mit der „angestrebten“ Übergabe
von „Verantwortung und Entscheidungen auf
Selbsthilfestrukturen (...) nur begrenzt von außen planbar
ist“,
erfordert dies eine enorme Umstellung der bisherigen Praxis der
KfW bei der Unterstützung und Durchführung von
Projekten, die demnach wohl bisher ihre Projekte von „oben“
nach „unten“ durchgeführt hat, d. h. ohne
Einbeziehung der Betroffenen.
In den folgenden Bereichen der
finanziellen Förderung von Projekten sieht die KfW für
die Zukunft Möglichkeiten, „Selbsthilfe als
Gestaltungsprinzip erfolgversprechend einzuführen“:
Trinkwasserversorgung und Abwasser; Wohnungsbau und
Stadtteilentwicklung; kleinbäuerliche Landwirtschaft;
Kreditvergabe für Kleingewerbe; dezentrale, ländliche
Gesundheitsdienste.
Die „Förderprinzipien
bei Selbsthilfeeinsätzen in FZ-Vorhaben“
sind:
Freiwillige
Teilnahme am Vorhaben
Ziele
an Bestrebungen von beteiligter Bevölkerung und externen
Planern sind deckungsgleich.
Über
die jeweiligen Rechte und Pflichten besteht unter den
Beteiligten Einvernehmen.
Die
Konzeption ist den finanziellen/organisatorischen/technischen
Fähigkeiten und dem Lebensumfeld der beteiligten
Bevölkerung angepaßt.
Die
in Gemeinschaften organisierte Bevölkerung kann
[Hervorhebung
des Autors] eigene Lösungsvorschläge einbringen
und trifft Entscheidungen (Betroffene als Akteure).
Über
das geplante Vorhaben hinausgehende Initiativen der Betroffenen
können [Hervorhebung
des Autors] aufgegriffen werden.
Die
Rolle der Betroffenen bei Selbsthilfeprojekten der KfW
Besonders die von mir hervorgehobenen Verben
im vorangehenden Zitat weisen deutlich auf die für die
Betroffenen vorgesehene Rolle bei der Projektförderung der
KfW hin. Diese stehen für mich z.B. im deutlichen
Widerspruch zur Aussage aus der CDU/CSU Bundestagsfraktion, in
der es dazu heißt: „(...) Dies bedeutet auch, daß
die Projekte nicht unsere Projekte, sondern die Projekte der
betroffenen Menschen vor Ort sein müssen.“ Sie
gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie klarstellen:
„Partizipation wäre deshalb mißverstanden,
wenn sie nur im Sinne von Beteiligung interpretiert würde“
„Ferner
müssen die Vorhaben prozeßhaft aus der Zusammenarbeit
der Förderer mit der Zielguppe erwachsen und nicht als von
vornherein durchgeplantes Produkt.“
Der
„Berater“ oder „Mittler“ bei
Selbsthilfeprojekten der KfW
Bei den Erläuterungen zu
den Förderprinzipien taucht unter Punkt 2 interessanterweise
die Einbeziehung eines privaten Beraters oder „Mittlers“
vor Ort auf für die Beurteilung des Projektes (s. auch
Kapitel ... Seite...) und der „Zielgruppe“. Die große
Bedeutung dieses „Mittlers“ wird am Ende des Artikels
der KfW unter der Überschrift „Gesucht: Der ideale
Mitmensch“ noch einmal betont:
„(...)
Ein guter Mittler zwischen Förderinstitution und Zielgruppe
ist Katalysator bei der Entscheidungsfindung der Betroffenen.“
Die Gefahr einer solchen
Konzentration auf eine einzige Person bei diesem Ansatz bringt
nämlich auch unwillkommene Effekte mit sich.
Diese Vermittler, auch „Change
agents“
genannt, entpuppten sich häufig aber als
„(...)
militante Ideologen,“ von
denen „(...) viele wirkten, ohne professionelle
Kompetenz zu besitzen,“ tatsächlich
„(...) von außerhalb der Gemeinschaften kommen und
die offenbar immer dazu neigen, die Basisbewegungen zu steuern
und zu manipulieren und ihnen Ideologien und importierte Ziele
des Kampfes aufzuzwingen“,
oder aber die „(...)
Spezialisten (...)„ die
„selbsternannten Barfuß-Experten“, die
sich entweder vor Ort qualifizierten oder als Retter aus Übersee
einschwebten.“
und
die genausowenig ihre Rolle als Bindeglied zur Bevölkerung
(z.B. in einem Armenviertel) ausübten.
Betroffenenbeteiligung
bei Selbsthilfeprojekten der KfW
„Besteht unter den Beteiligten
Einvernehmen“ wird in den Erläuterungen unter dem
Stichwort „Erfolgsbedingungen“ dazu gefordert,
„klare Vorgaben und Regeln„
für die „Begünstigten“ aufzustellen.
Offen bleibt, wer „Bei Wahlmöglichkeit der
Begünstigten zwischen mehreren Technologien, Entscheidung
erst nach deren Information (...) die Entscheidung
trifft. Auch im Widerspruch zu Selbsthilfe stehen die
„Strukturierte(n) Besuche regionaler
Meinungsbildner und/oder dörflicher Multiplikatoren
bei vorhandenen Referenzvorhaben,“ um „dadurch
deren Entscheidungsgrundlagen zu verbessern.“
Im Vordergrund steht offensichtlich eine
einzelne Person und ihre „Entscheidungsgrundlage“;
die Gemeinschaft der Betroffenen wird übergangen. An anderer
Stelle werden dann aber die „realistischen Einschätzungen“
von Dorfgemeinschaften im Bezug auf Projektplanungen gelobt.
Zur Betroffenenbeteiligung findet sich bei den
Erläuterungen unter dem Stichwort „zielfördernd“:
„Die
Einbeziehung möglichst vieler künftiger Nutzer in die
Animation kann Partikularinteressen durch Gruppendruck
entgegenwirken, Benachteiligte (z.B. Frauen) müssen dabei
ausreichend repräsentiert sein.“
Bei Punkt 6 wird als Bedingung für den
Erfolg immerhin die Einbeziehung der Betroffenen bei „Monitoring“
(Überwachung) und „Evaluation“ (Auswertung) des
Projektes genannt.
Förderung
der Selbsthilfe aus der Sicht des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit
„Das
Selbsthilfekonzept geht von der Tatsache aus, daß sich die
Armen (mehr als man bisher glaubte) selbst helfen können,
wozu allerdings oft ein erster Anstoß von außen
notwendig ist.(...)
Förderungsziel
ist nicht in erster Linie die Verbesserung der materiellen Lage
an sich, sondern vor allem die Mobilisierung der schöpferischen
Kräfte und Fähigkeiten.“
Die
fünf Kriterien, „nach denen die Vorhaben auf ihre
Selbsthilfeorientierung geprüft werden“ aus
dem Leitfaden des BMZ:
„Zielgruppe
sind Menschen unterhalb der Armutsgrenze;
Eigenitiative
muß vorhanden sein;
Beteiligung
muß sichergestellt sein;
Eigenbeitrag
muß erbracht werden;
Handlungsspielraum
muß gewährleistet werden.“
Grundsätzlich
gilt für das BMZ -wie auch die staatlichen Organisationen
anderer Staaten der westlichen Industrienationen das Prinzip der
Subsidiarität, d.h. es wird nur in Feldern der
Entwicklungshilfe tätig, in denen nicht auch NRO’s
tätig sind oder sein könnten.
Als herausragendsten Punkt des
„methodischen Ansatzes“ für
Organisationen, die staatliche Entwicklungshilfe leisten, nennt
das BMZ das „Kennenlernen der Selbsthilfeerfahrungen der
Armen“ über den Weg von Fallstudien und
Erzählungen der Betroffenen.
Im Gegensatz zu den Bedingungen
der staatlichen KfW verlangt das BMZ in seinen „Hinweisen
zur Umsetzung“ (Punkt 5.1.3):
„Die
betroffene Bevölkerung ist zum Träger der Projekte zu
machen. Das Vorhaben soll so angelegt sein, daß die
Beteiligung der Begünstigten in allen seinen Phasen -
Konzeption, Vorbereitung, Planung, Durchführung, Betrieb,
Unterhaltung und Evaluierung - sichergestellt ist.“
Ergänzend zu den Bedingungen der
staatlichen KfW wäre noch zu erwähnen, daß für
das BMZ eine Voraussetzung für die Durchführung einer
Projektunterstützung die Garantie eines Handlungsspielraumes
von staatlicher Seite des Entwicklungslandes aus ist.
Darüber hinaus muß das Projekt auf
Breitenwirksamkeit und Nachhaltigkeit
zielen, das heißt, auch auf politischer Ebene etwas
bleibend für die Armen verändern.
Im Gegensatz zur staatlichen KfW ist für
die Bundesregierung eine Förderung der Selbsthilfe ohne die
Zusammenarbeit mit NRO’s vor Ort und in den Projekten nicht
möglich. Die Bundesregierung vergibt auch Selbsthilfefonds
(z.B. in Indien und Bangladesch), die „grundsätzlich
in der Verwaltung eines einheimischen Partners“
stehen. Nähere Angaben über den jeweiligen Partner
werden nicht gemacht.
Der
Anteil der Selbsthilfeförderung an der gesamten technischen
und finanziellen Entwicklungshilfe (Zusammenarbeit) der
Bundesregierung
Die finanzielle Unterstützung
von Selbsthilfevorhaben durch die Bundesregierung wird stetig
gesteigert. Im Jahr 1991 betrug sie noch 8% und 1994 bereits
12,6% von der gesamten finanziellen und technischen Förderung,
bzw. „Zusammenarbeit“. Für das Jahr wurde ein
Förderungsanteil von 18,5% angestrebt.
In Zahlen ausgedrückt sind das 1991 333 Millionen DM und
„1996 will Spranger (Anm.: der Bundesminister) etwa
700 Millionen Mark für selbsthilfeorientierte Projekte (...)
zur Verfügung stellen.“
Dem gegenüber stehen die „gesamten Nettoauszahlungen
der öffentlichen Auslandshilfe“ in Höhe von DM
14,9 Mrd. für das Jahr 1994.
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